
Ich weiß, dass ich ziemlich late to the party mit meinem ersten Mal „Breaking Bad“ bin, denn immerhin hat die Serie vor genau zehn Jahren bereits ihr Ende gefunden. Nun ja, früher hat mich die Serie nie interessiert; erst, als mein Mann unbedingt wollte, dass ich sie mit ihm einmal schaue, habe ich alle Staffeln gesehen und mir eine Meinung zu eine der wohl beliebtesten Serien des letzten Jahrzehnts gebildet.
Fan oder eher nicht?
Um es vorwegzunehmen: Nein, ich bin absolut kein „Breaking Bad“-Fan. Ich habe mich sehr oft im Laufe der Serie aufgeregt (was sicher auch in gewisser Weise für die Serie spricht, wenn ich Emotionen dafür entwickle, wenn auch keine positiven, und ich im Nachhinein so viel darüber nachdenke). Insgesamt war mir die Serie zu toxisch-männlich, durchzogen von konservativen Gesellschaftsbildern, mit sehr viel Gewalt und einfach vielen Menschen, die mich insgesamt unglaublich aufgeregt haben. Meine liebsten Charaktere waren letztendlich Saul Goodman, Mike und Jesse Pinkman, auch wenn er ebenfalls nicht immer ganz in Ordnung war als Mensch.
Am schlimmsten von allen fand ich aber Walter White höchstpersönlich. „Warum?“, fragen sich manche vielleicht. Schließlich hat der arme Mann gegen Krebs gekämpft und sich ja wirklich voll ins Zeug gehängt, damit seine Familie auch nach seinem Tod ein gutes Leben führen kann. Das rechtfertigt doch seine Handlungen? Hm… nein. Und ich erkläre gerne in einzelnen Unterpunkten was mein Problem mit dem guten alten Walt ist.
Walt war am Anfang doch noch nett… oder? ODER?
Zu Beginn der Serie erfährt Walter, ein eigentlich doch sehr kluger Chemielehrer, dass er Lungenkrebs hat. Am Boden zerstört über diese lebensbedrohliche Nachricht, sucht er einen Weg, um seine Familie auch nach seinem Tod noch zu unterstützen. Schon zeitig merkt man, dass Walter sein Leben oftmals betrauert. Er hätte einfach gerne mehr daraus gemacht als Chemielehrer zu werden. Doch nun sieht er seine Chance – er begleitet seinen Schwager Hank, der bei der Drogenbehörde arbeitet, bei einem Einsatz und sieht dabei einen ehemaligen Schüler, Jesse Pinkman, vom Tatort fliehen. So dauert es nicht lange, bis Walter Jesse ausfindig macht und ihn erpresst und ihn dann beim Herstellen von Methamphetamin – Crystal Meth – unterstützt. Statt also über eine sinnvolle Möglichkeit nachzudenken, die seine Familie wirklich unterstützt – oder gar mal seine Frau Skyler mit einzubeziehen – entscheidet er sich halt einfach für die absolut schadendste Methode, Drogen herzustellen und seine Frau und den ältesten Sohn darüber anzulügen. Mag ja sein, dass er unheilbaren Krebs hat, aber er tut echt so, als wäre er der einzige Mensch auf der Welt mit Problemen.
Die Sache mit Jesse
Die Beziehung zwischen Jesse und Walt ist wohl einen eigenen Blogbeitrag wert. Nur so viel: Es gibt viele Reibereien zwischen den beiden, sie können sich anfangs gar nicht leiden, aber mit der Zeit entsteht eine (sehr toxische) Vater-Sohn-Beziehung zwischen den beiden. Walt betont zwar immer wieder, dass Jesse wertvoll für ihn ist, doch einfach immer dann, wenn Walter einen neuen Weg gehen will oder den nächsten Schritt in Richtung seines Drogenimperiums machen will, muss Jesse dafür die (metaphorischen und tatsächlichen) Schläge einstecken. Sei es, dass er verprügelt wird oder in der Sklaverei endet. Because, why not? Walt geht’s ja schließlich gut.
Die Tode, die er (mit-)verantwortet.
Die erste, die mir in diesem Zusammenhang einfällt, ist Jesses Freundin Jane. Ja, ja, auch sie ist drogenabhängig und Jesse und sie haben harte Drogen genommen, als die beiden auf dem Bett einschlafen. Doch dann kommt Walter in Jesses Wohnung, sieht die beiden im Bett und bemerkt, dass Jane plötzlich im Schlaf erbricht. Doch sie ist bewusstlos, kann nichts gegen ihre Situation tun – und Walter sieht nur zu, ist Zeuge, wie sie langsam stirbt. Jesse wacht neben der toten Freundin auf, weiß nichts von Walts Besuch und gibt folglich sich selbst die Schuld. Ich sag‘s, wie es ist – ich habe Walter in dem Moment gehasst. Er hat seine Macht wieder einmal demonstriert und gezeigt, was für ein übler Charakter er ist.
Ein weiterer Tod, den er verantwortet, ist der von Mike. Mike, einer der besten Charaktere der ganzen Serie, muss wegen Walter sterben. Und es war einfach so verdammt unnötig. Daneben gibt es noch viele andere Leben, die er auf dem Gewissen hat – sei es direkt oder indirekt. Das bringt mich auch zur nächsten Sache, denn Walter hat…
Kein schlechtes Gewissen
Den einzigen Tod, den er aufrichtig zu bedauern scheint, ist der seines Schwagers Hank. Doch abgesehen davon habe ich schon einige Beispiele für sein fehlendes schlechtes Gewissen gebracht. Dazu kommt zum Beispiel auch, dass er keine Skrupel davor hat, unschuldige Kinder in seine Sache mit reinzuziehen. So wird zum Beispiel der kleine Brock (ich glaube er war fünf Jahre alt in der Serie), der Sohn einer Freundin von Jesse, zum Mittel zu Walters Zweck. Er wird vergiftet und überlebt am Ende nur knapp. Wenn ihr mal Breaking Bad schauen solltet, dann achtet mal darauf, wie sehr ihm diese Aktion leidtut… nämlich gar nicht.
Auch als er Gus mithilfe von den im Rollstuhl sitzenden Hector Salamanca töten will, tut er dies einfach in einem Pflegeheim. An Salamancas Rollstuhl ist eine Bombe angebracht und ach ja, Salamanca stirbt ja sowieso irgendwann und hat kein lebenswertes Leben mehr, Gus muss eh weg und alle anderen, die es im Pflegeheim auch treffen könnte, haben halt Pech, wenn sie die Bombe trifft… who cares?
Er zerstört seine Familie
Seine ganze Baseline ist ja eigentlich, dass er all diese Drogengeschäfte nur macht, weil er für seine Familie das Beste will. Doch was er eigentlich macht, ist diese Familie zu zerstören. Hanks Schicksal habe ich ja bereits erwähnt und auch für seine Frau Skyler, seinen Sohn Walt Jr. (was geht in Menschen eigentlich vor, die ihre Kinder nach sich selbst benennen?) und seine Tochter Holly macht er das Leben nicht einfach. Angefangen bei der Beziehung zu Skyler. Da hat es mich schon ganz fuchsig gemacht, dass er ihr noch nicht mal zutraut, dass sie nach seinem Tod alleine zurechtkommt. Sie kann und will doch arbeiten und hat richtig was drauf? Die Welt gerät nicht aus den Fugen, wenn Walt nicht mehr existiert… und doch scheint er genau das zu glauben. Es gab noch ganz viele andere Aktionen, aber sehr gut kann ich mich noch daran erinnern, wie er sie mit den schlimmsten Beleidigungen belegt hat, wo sie ihn doch sogar noch eine ganze Weile in seinen Machenschaften unterstützt hat (auch etwas, was ich nicht komplett verstehen kann… irgendwann ist doch mal Schluss, oder? Sie hat sich das alles so super lange gefallen lassen).
Um allem noch die Krone aufzusetzen, entführt er Holly, bringt seinen Sohn gegen sich auf und nimmt seiner Schwägerin den Mann weg. Gut gemacht, Walter, da hat das Drogengeschäft wirklich geholfen. Schon lange hat er also das Drogengeschäft nicht mehr für seine Familie gemacht, sondern nur, um sein Image des Drogenbosses zu stärken und Macht zu demonstrieren.
Er weiß absolut niemanden zu schätzen
Auch weiß Walter wirklich niemanden in seinem Leben zu schätzen. Seine eigene Frau verprellt er, als sie die Wahrheit erfährt und ihn sogar noch unterstützen will. Jesse hält Walter für besonders dumm. Und Saul, der ihm so manchen Kontakt vermittelt und ihn unterstützt, weiß er nicht zu schätzen. Je mehr die Serie voranschreitet, desto schlimmer wird es, desto selbstzentrierter ist Walter.
Was sind seine wahren Motive?
Wie gesagt, angeblich macht er das alles, um seine Familie zu unterstützen und Geld für sie zur Seite zu legen. Doch das gerät eigentlich schnell in den Hintergrund. Er ist gut, in dem, was er tut, so gut, dass er sehr viel Geld in sehr kurzer Zeit gewinnt. So viel Geld, dass er irgendwann gar nicht mehr weiß, wohin damit. Spätestens da ist doch sein ursprüngliches Ziel erreicht. Doch er macht immer weiter – ganz einfach, weil seine wahren Motive andere sind. Ich habe bereits erwähnt, dass Walter eigentlich eine Wissenschaftskarriere vor sich gehabt hätte. Sein damaliger Partner und seine Partnerin haben „Grey Matter“ gegründet, eine mittlerweile sehr erfolgreiche Firma, aus der Walt jedoch ausgestiegen ist und seine Anteile verkauft hat, als er sich von Gretchen, seiner damaligen Partnerin, getrennt hat.
Seine ehemaligen Partner wollen Walt sogar zunächst finanzieren (seine Behandlungskosten sind sehr hoch), doch er ist einfach zu stolz und lehnt die Unterstützung ab. Ein Problem, das ganz allein Walters ist – und doch zieht er auch da wieder jeden mit rein, der mal ein falsches Wort gesagt hat. Walt hält sich selbst auch für unglaublich schlau und ist, soweit ich das sehe, überzeugt davon, dass ER dieses Leben in der Firma führen sollte und ER das Geld verdienen und den Erfolg haben sollte. Hat er aber nicht, weil er halt schlechte Entscheidungen im Leben getroffen hat. Das Drogengeschäft ist nun der Ausgleich dafür – er muss vor allem sich selbst beweisen, was für ein toller Hecht er ist und gegen Ende der Serie tut er ja auch wirklich alles dafür, damit man herausfindet, dass er das Genie hinter der Meth Produktion ist. Von wegen also Familie – rein egoistisch sind die Gründe für seine Taten.
Ich bin ein absolutes Genie!… Wirklich?
Zum Schluss komme ich zu einem Zitat, das für die Serie sehr bekannt ist. Ein Zitat, das Walter White so bedrohlich ausspricht, dass jeder Angst bekommen sollte. Er sagt zu Skyler:
„I am not in danger, Skyler. I am the danger! A guy opens his door and gets shot and you think that of me? No. I am the one who knocks!“
Ach Walter, wie bringe ich es dir schonend bei… du bist einfach restlos überzeugt von dir und weißt gar nicht, dass du gar nicht mal immer so ein krasses Genie bist. Du bist die Gefahr? Niemand kann dir was? Naja, es saßen ja nur die Salamanca Zwillinge ohne dein Wissen auf deinem Bett während du duschen warst und du bist dem Tod nur entkommen, weil Mike die Zwillinge zurückgepfiffen hat. So viel dazu.
Warum ich nun all diese Punkte aufgezählt habe? Ich finde, Walter White hat das Mitleid einfach nicht verdient, das ihm so oft zugesprochen wird. Ja, er hatte Lungenkrebs, und ja, es tut mir leid, dass es ihm psychisch und physisch so schlecht ging, niemand verdient das. Aber es rechtfertigt einfach nicht, ein solcher egoistischer, rücksichtsloser, respektloser, gedankenloser oder toxischer Idiot zu sein. Es ist keine Rechtfertigung für irgendwas. Er ist ja auch nicht der einzige Mensch auf der Welt, der eine solche Diagnose bekommt und trotzdem rasten andere Menschen nicht komplett deswegen aus und nehmen den erstmöglichen kriminellen Weg, um an Geld zu kommen. Mit dieser Auflistung möchte ich vor allem den Charakter von Walter offenlegen. Er mag zwar in dem, was er tut, genial sein, doch es gibt unglaublich viele Erlebnisse aus der Vergangenheit, Minderwertigkeitskomplexe und Hochstapelei bei ihm, die ihn zu dem machen, was er ist – das Drogengeschäft bringt dann nur noch mal die sowieso schon schlechten Eigenschaften noch einmal so richtig zur Geltung.
Was denkt ihr über Breaking Bad und Walter White? Stimmt ihr mit meinen Ansichten überein oder sehr ihr etwas ganz anders? Schreibt es mir gerne in die Kommentare!
Kurz zur Erinnerung: Diese Serie und ihre Figuren sind reine Fiktion, und ich liebe Walter vor allem wegen seiner Widersprüchlichkeit und menschlicher Schwäche. Und ja, er zeigt auch immer wieder Gefühle der Reue, z.B. als er der Junkie-Freundin von Jesse nicht das Leben rettet, oder auch während der nur kurz währenden „Entführung“ Hollys – als die nach ihrer Mama ruft.
LikeGefällt 1 Person
Liebe Karo,
Danke für deinen Kommentar und deine Meinung 🙂 es ist ja auch vollkommen okay, wenn du das ganz anders siehst als ich – und ich will auch niemandem den Spaß an der Serie verderben.
Ich denke aber trotzdem, dass man ruhig auch an Walts Verfehlungen erinnern kann und dass man einfach merkt, dass er viele Dinge nur für sich oder die ihm nahestehenden Personen macht.
Ein Kind zu vergiften, egal ob diese Dosis tödlich ist oder nicht, geht halt für mich einfach schon aus moralischen Gründen überhaupt nicht, da ist es mir auch egal, was seine Motive dahinter sind.
Aber ich verstehe durchaus auch den Reiz der Serie und der Figur an sich, bitte nicht falsch verstehen – wie gesagt hätte ich sie ja auch sonst nicht bis zu Ende geschaut. 🙂
Liebe Grüße!
LikeLike
und meines Wissens hatte der kleine Brock keine tödliche Dosis erhalten 😉 Aber ich möchte dir deine Wut auf Walter nicht nehmen. Jede/r wie sie/er will 🙂 Karo
LikeGefällt 1 Person
Das größte Drama ist, wo Walter nach dem Mord an Gus wieder ins Geschäft einsteigen will, obwohl alle anderen nicht dabei sind und das ganze schon vorbei ist. Gus ist tot, das Kartell ist aufgelöst und er muss weder Angst vor kriminellen noch vor der DEA haben. Aber er muss unbedingt wieder ins Geschäft einsteigen weil er dadurch reich werden kann, und nur deshalb. Denn seine Familie ist gut versorgt und sie haben schon genug Geld. Dadurch hat er nicht nur seine Familie zerstört und typen wie Hank, Gomez und Mike getötet, sondern auch Jesse zerstört und Godman musste auch packen. Das ist wahrscheinlich sein größter Fehler gewesen.
LikeGefällt 1 Person
Bin ganz bei dir, Walt ist ein typischer verdeckter Narzisst.
Wäre es nur um die Versorgung der Familie gegangen hätte er schon lange vorher aufhören können, statt dessen bettelt er sich bei Fring hoch um noch mehr Macht und Kohle zu haben.
Er gaslightet seine Familie von vorn bis hinten. Spielt Gott. Stichelt Hank auf, weiter nach Heisenberg zu suchen, weil es sein Ego gepiekst hat, dass jemand Gale für ein Genie halten könnte.
Und Walt selbst ist ziemlich unsexy in seinen braunen Altmänner-Cordhosen.
Kein Wunder dass sein einziger Trumpf seine Intelligenz ist.
Generell finde ich es an der Serie entzückend, dass jeder Charakter seine eigene Art von Tick/ Störung hat.
Sei es Marie mit dem Klau-und Fabulierzwang, oder Hank mit der Angst/Trauma. Sehr berührend auch die Liebe und Fürsorge zwischen diesen beiden.
Saul und Gale mit ihren kleinen Alltagsmarotten…
Aber zurück zu Walt: ja, er ist ein immer kälter werdender Psychopath. Unehrlich, manipulativ und egoistisch. Seine Taten untermauern das. Es ging ihm immer nur ums eigene Ego.
Und was er mit Jesse gemacht hat ist eine einzige verantwortungslose Schweinerei.
LikeGefällt 1 Person