Buchrezension: Oscar Wilde – The Happy Prince and Other Tales

Autor: Oscar Wilde
OT: The Happy Prince and Other Tales
Ausgabe: 2017; Philipp Reclam jun. GmbH & Co.
KG, Stuttgart
Englischer Text folgt der Ausgabe: Robert Ross (1969): The First Collected Edition of the Works of Oscar Wilde. London: Dawson of Pall Mall. (Nachdruck der Ausgabe von 1908).

Wer kennt es nicht, den berühmten Roman „The Picture of Dorian Gray“, geschrieben von Oscar Wilde? Eine Geschichte über einen wunderschönen jungen Mann, der seine Jugend für immer mit Hilfe eines Porträts seines Selbst bewahren wollte und letztendlich daran zugrunde ging… viele von uns haben sicher schon das Buch gelesen oder eine Verfilmung des Stoffs gesehen.

Doch was ist mit den weniger „berühmten“ Werken von Wilde?  Zum Beispiel mit einer Sammlung seiner schönsten Märchen? Ich bin bei einem Bummel durch den Buchladen wieder einmal in der Ecke mit den Reclam-Heften stehen geblieben und da fiel mir doch glatt das dünne Band „The Happy Prince and Other Tales“ von Wilde in die Hand. Da ich schon seit Längerem mehr von dem Autor lesen wollte, griff ich kurzerhand zu der englischen Ausgabe.

Inhaltliches

Der Titel verrät schon, dass es sich hier um Geschichten handelt, die Dicke des Bandes zeigt bereits, dass es kurze Geschichten sind. Fünf Märchen finden wir in dem Buch:

  1. The Happy Prince
  2. The Nightingale and the Rose
  3. The Selfish Giant
  4. The Devoted Friend
  5. The Remarkable Rocket

Ich wusste gar nicht recht, wie Wildes Schreibstil abseits von Dorian Gray eigentlich sonst so ist, deswegen war es für mich komplettes Neuland, in diese Märchen abzutauchen. Und Himmel, mit dieser Art Geschichten habe ich nicht gerechnet!

„[…] the living always think that gold can make them happy.” (S.14)

Da haben wir in der ersten Geschichte einen Prinzen, der erst nach seinem Tod in der Gestalt einer schillernden Statue sieht, welch Elend unter den Menschen existiert. Mit der Hilfe einer kleinen Schwalbe, die eigentlich auf dem Weg ins warme Ägypten ist, spendet er an die verschiedensten armen Menschen Teile seiner rubinbesetzten Augen oder seines Goldüberzugs. Erst das macht ihn wirklich glücklich. Die Schwalbe bleibt sogar bei dem goldenen Prinzen und sieht das ferne Ägypten nur noch als Teil einer Geschichte an, nicht mehr als das eigentliche Ziel. Für beide geht die Geschichte nicht gut aus; doch das soll sich noch durch das ganze Heftlein ziehen, denn Wildes Helden stehen am Ende nicht im Mittelpunkt – sie sterben leise.

In „The Happy Prince“ ist ein christlicher Aspekt zu erkennen. Der Glaube zog sich durch Wildes Leben und das spiegelt sich in seinen Werken wider. Noch deutlicher ist das in „The Selfish Giant“ zu erkennen, denn hier bewirkt ein selbstsüchtiger Riese, dass seine Umgebung, das einstige Paradies, einfriert. Doch durch eine gute Tat an einem kleinen Kind wird sein Herz erweicht, der Garten fängt wieder an zu blühen. Zum Schluss trifft der Riese das Kind noch einmal wieder, und zwar im Tod: Der Riese wurde erlöst, offenbar von Jesus in der Gestalt des Kindes.

„’I am rather afraid that I have annoyed him‘, answered the Linnet. ‚The fact is, that I told him a story with a moral.‘

‚Ah! That is always a dangerous thing to do‘, said the duck. And I quite agreed with her.” (S. 51).

The Devoted Friend“ hingegen erzählt eine Geschichte in der Geschichte. Hier erzählt ein Grünfink einer Wasserratte eine Geschichte, die uns in ein bäuerliches Umfeld führt. Ein Müller missbraucht den kleinen Hans, der nur seinen Garten in Ruhe zum Blühen bringen will, als Freund. Als Gegenleistung dafür, dass der Müller Hans seinen alten, kaputten Karren schenken  möchte, verlangt dieser von ihm die unmöglichsten und ausbeuterischsten Taten. Dass Hans schließlich stirbt, ist dabei fast schon vorauszusehen. So Leid einem der junge Hans tut, so sehr kann man auch nur den Kopf über seine Blindheit schütteln. Das Märchen kommt mit viel Sarkasmus und Zynismus um die Ecke, ebenso wie die nächste Geschichte der außergewöhnlichen Rakete.

„What right have you to be happy? You should be thinking about others. In fact, you should be thinking about me. I am always thinking about myself, and I expect everybody else to do the same.“ (S. 58).

The Remarkable Rocket“ erzählt uns von einer Hochzeit, bei der sich allerdings die Feuerwerkskörper untereinander unterhalten. Die Rakete hält dabei besonders große Stücke auf sich und glaubt, sie sei die absolut mitfühlendste und allerbeste Rakete, die es überhaupt geben kann. Ihr Ende ist für sie selbst die Krönung überhaupt – für uns Leser ist das Ende der Rakete jedoch mehr als nur lächerlich und zeigt wieder einmal, wie sehr Wilde gesellschaftskritische Töne in seine Werke einfließen lässt.

„Bitter, bitter was the pain, and wilder and wilder grew her song, for she sang of Love that is perfected by Death, of the Love that dies not in the tomb.” (S. 25)

Am meisten berührt hat mich jedoch „The Nightingale and the Rose“. Darin geht es um einen jungen Studenten, der seiner Angebeteten eine rote Rose bringen muss, damit sie mit ihm tanzt. Doch weit und breit ist keine rote Rose zu finden. Das bekommt eine Nachtigall mit und spricht mit einem Rosenstrauch, der ihr verrät, wie sie eine rote Rose mittels eines alten Zaubers bekommt. Die Nachtigall singt vor dem Rosenstrauch ihr schönstes Lied, das wahre Liebe kundtut. Dabei bohrt sich ein Dorn in das Herz des kleinen Vogels und das Blut daraus hilft, eine rote Rose entstehen zu lassen. Ich habe gelesen, dass dieses Motiv einem persischen Mythos entstammt, in dem jedoch die Rose gleichzeitig die Angebetete ist. In Wildes Märchen soll das Opfer der Nachtigall dem Studenten helfen, seine Liebste zu erreichen. Wie diese sich am Ende entscheidet, müsst ihr selbst nachlesen.

Für wen eignen sich die Märchen?

Oscar Wilde selbst sagte, dass seine Märchen für Menschen von 8-88 Jahren bestimmt seien. Im Großen und Ganzen also: Für alle. Der Autor bediente sich übrigens an dem Vorbild von Hans Christian Andersen, denn seine Märchen hatten viel Einfluss auf Wildes Geschichten.

Ich würde ebenso sagen, dass die Märchen von Wilde viele Altersklassen erreichen können. Kinder sollten jedoch erst ein gewisses Alter erreichen, um die Moral hinter so mancher Geschichte verstehen zu können: Eltern können bei dem Verständnis gewiss helfen und ihrem Kind anhand aktueller Beispiele erklären, was Wilde mit seinen Märchen meint!

Darüber hinaus ist dieses Heftlein aber für jeden geeignet, der zwischendurch gerne mal kurze Geschichten liest und mehr über Wilde erfahren möchte. Für mich waren die Märchen, bzw. das Buch, eine der besten Kaufentscheidungen der letzten Zeit, denn Wildes Art zu schreiben ist zum einen etwas ganz Besonderes, er trifft mit seiner Wortwahl, seinem Witz und seiner Klugheit einfach ins Herz. Zum anderen hat es mich fasziniert, dass die Helden eben nicht schillernd im klassischen Sinne sind und dass am Ende nicht ständig eine Hochzeit steht, sondern dass es sich hier um tragische Helden handelt, die sich für andere selbst aufopfern oder aus anderen Gründen sterben.

Eine absolute Leseempfehlung!

Welche Werke kennst du von Wilde und was magst du besonders daran? 

Viel Spaß beim Lesen wünscht
Jacqui

Meine Bewertung im Detail

Handlung ♥♥♥♥♥

Charaktere ♥♥♥♥♥

Sprache ♥♥♥♥♥

Emotionen ♥♥♥♥♥

Gesamt 5/5

 

3 Antworten auf „Buchrezension: Oscar Wilde – The Happy Prince and Other Tales

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