Rezension: Stephen King – Erhebung

OT: Elevation; 2018; erschienen bei Verlagsgruppe Random House; 143 S.

Die Vergangenheit ist Geschichte, die Zukunft ein Geheimnis. (S. 70)

Seit einiger Zeit lächeln mich auf Worpress und Instagram immer wieder Bilder und Rezensionen zu Stephen Kings neuestem Roman (oder wohl eher Novelle) „Erhebung“ an. Heute hatte ich am Bahnhof noch kurz Zeit, ging in einen Buchladen – nun ja und da lächelte mich das Buch wieder an und ich nahm es kurzerhand mit. Die Zugfahrt schien mir perfekt, um in das Buch reinzulesen. Nun las ich aber so lang rein, dass ich plötzlich durch damit war. Ihr ahnt es: Das Buch ist richtig gut!

Inhalt

Scott ist ein großer und kräftiger Mann. Das letzte Mal, als er sich wog, brachte er 113 kg auf die Waage. Nun nimmt er aber plötzlich ohne jeden ersichtlichen Grund ab. Stetig verliert er ein halbes oder sogar anderthalb Kilo pro Tag – das aber ohne, dass sich sein Körper verändert! Der Bauch hängt weiter über dem Gürtel und seine Muskeln sind ebenso noch da. Das resultiert darin, dass er grotesk durch die Gegend stolpert und letztendlich sogar durch sein Haus schwebt. Doch sein körperliches Befinden ist nicht nur tragisch, sondern bringt Menschen unverhofft zusammen. Denn in seiner Nachbarschaft zieht ein lesbisches Ehepaar ein. Mit Deirdre ist Scott sich anfangs überhaupt nicht grün. Doch aus einer kleinen Geste entwächst schließlich etwas Großes.

Die unglaubliche Leichtigkeit des Seins

Stephen King ist zweifellos einer der Autoren, die es schaffen, spannend zu erzählen, ohne zu langweilen. Er ist quasi ein Meister des Horrors, worüber ich bereits in meiner Rezension zu seinem Roman „Es“ schrieb. Was Stephen King aber auch kann, ist Charakter zu zeichnen, die interessant sind und in die Tiefe gehen. Das schafft er auch mit „Erhebung“, denn hier geht es zwar um etwas Mysteriöses, aber auch und vor allem um die Menschen.

Scott versucht mit dem Pärchen in der Nachbarschaft Kontakt aufzunehmen und einfach freundlich zu ihnen zu sein, doch Deirdre, die toughe Frau in der Ehe, kann gut auf Scott verzichten. Sie sorgt sich eher um ihr kleines Restaurant, das schlecht läuft, weil die Menschen in ihrem kleinen Ort es nicht gerne sehen, wenn ein homosexuelles Paar zusammenlebt und auch noch verheiratet ist. Deirdre verschließt sich, sie ist lediglich professionell, zielstrebig, aber selten freundlich.

Bei einem Benefiz-Marathon will die sportliche Deirdre den ersten Platz holen – und sieht sich Scott gegenüber, der sich vor lauter Leichtigkeit schnell fortbewegt und mit Deirdre um den ersten Platz rennt. Als sie kurz vor dem Ziel stürzt, geschieht das Unglaubliche: Statt ins Ziel zu rennen, hilft Scott Deirdre und will, dass sie zuerst ins Ziel läuft. Diese Geste schlägt Wellen!

Akzeptanz und Freundschaft

Denn nicht nur geht das Bild der zwei Läufer durch die Presse, es sorgt auch dafür, dass die Menschen das Restaurant des Pärchens besuchen. Viel wichtiger ist aber die Freundschaft, die aus dem Vorfall entsteht: Scott und sein Freund Bob Ellis, dessen Frau und das Pärchen Deirdre und Missy teilen fortan das Geheimnis von Scott, denn dieser scheint durch seinen Gewichtsverlust immer mehr zu verschwinden.

Scotts „Erhebung“, wie er es nennt, bringt ihm aber eine ganz neue Perspektive. Er lernt, was im Leben wirklich wichtig ist: Statt seinem Ende, den „Tag Null“, an dem er nichts mehr wiegen wird, mit Angst entgegenzublicken, plant er lieber die Zeit mit seinen Freunden. Er sieht seinem Ende positiv entgegen, denn schließlich muss er nicht an einer Krankheit leiden und sterben.

Scotts Gewicht wird zu einem Symbol. Nicht nur für die Ironie, dass er zuvor übergewichtig war und nun fast nichts mehr wiegt, sondern auch zum Symbol für das Gewicht auf den Schultern seiner Freunde und das Gewicht, das auf den Schultern der Erde lastet. Gekonnt beschreibt King, wie Scott durch sein Mysterium das Leben der Anderen leichter und besser macht, ohne sich dafür zu verbiegen. Er beschreibt, wie einfach es ist, sich selbst zu akzeptieren und andere für das zu akzeptieren, was sie sind.

Wieso sollte er sich schlecht wegen etwas fühlen, was er doch nicht ändern konnte? Wieso sollte er es nicht annehmen? (S.75)

Insgesamt ist es also ein King-Roman, der wieder brilliant geschrieben ist (ein kleines Schmankerl finde ich übrigens die Schulband, die sich in Pennywise & The Clowns für Halloween umbenannt hat 😉 ) und der auf ungewöhnlich wenigen Seiten zum Nachdenken anregt. Nicht nur, wie wir andere besser annehmen können, sondern auch, wie wir uns selber annehmen können, mit allem, was wir sind und was uns ausmacht.

Frohes Lesen wünscht
Jacqui

Ein Kommentar zu „Rezension: Stephen King – Erhebung

Gib deinen ab

  1. Danke für diese Rezension!
    Als begeisterter Leser seiner Romane, war ich ebenfalls schon in versucht, diesen Stephen King zu kaufen. Ich bin froh, mir dieses Gutmenschen-Geschwurbel zu ersparen.

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