Buchrezension: Salma El-Wardany – Alles, was wir uns nicht sagen

Salma El-Wardany - Alles, was wir uns nicht sagen

Autorin: Salma El-Wardany
OT: These Impossible Things
Erschienen: 2023 in München: Penguin Random House
Seiten: 475

Lest ihr eigentlich gerne Geschichten von Own Voice-Autor*innen? Zuletzt habe ich als Rezensionsexemplar vom Bloggerportal das Buch „Alles, was wir uns nicht sagen“ von Salma El-Wardany zugeschickt bekommen. Darin geht es um drei muslimische Freundinnen, die versuchen, den Spagat zwischen ihrem Leben mit nicht-muslimischen Partnern und ihren teils sehr konservativen Familien zu schaffen. Ein Own-Voice-Buch, das mich emotional sehr ergriffen hat.

Worum geht’s?

Die drei Freundinnen Malak, Kees und Jenna sind von Kindesbeinen an beste Freundinnen. Sie stammen alle drei aus teils recht konservativen muslimischen Familien. Doch aufgewachsen in England leben sie ein westliches Leben und zwei von ihnen haben nicht-muslimische Partner. Die drei versuchen die Gegensätze ihrer eigenen Vorstellungen und der ihrer Familien zusammenzubringen.

Eines Tages jedoch ändert sich alles – die Freundinnen gehen im Streit auseinander. Malak zieht nach Kairo, um dort ein neues Leben kennenzulernen, Kees macht Karriere als Anwältin und Jenna erlebt die wohl schlimmste Nacht ihres Lebens. Eines Tages führt das Schicksal die drei Freundinnen aber wieder zusammen und sie erkennen, was ihnen im Leben wichtig ist.

Kleine Figurenkonstellation zur Übersicht

Bevor ich mit meiner Rezension anfange, möchte ich euch kurz die Freundinnen und die Figurenkonstellation vorstellen.

Malak ist mit Jacob zusammen. Ihr britischer Freund kann sich sogar vorstellen, für Malak zum Islam zu konvertieren. Doch Malak möchte die islamische Tradition leben und glaubt, dass sie diese Dinge nur bekommt, wenn sie einen Partner hat, der Muslim ist. In Ägypten will Malak Arabisch lernen und herausfinden, was sie im Leben genau möchte. Dort lernt sie dann Ali kennen, einen Mann, der sie von Anfang an vergöttert. Doch Ali ist zwar einerseits sehr einfühlsam und lieb, doch entpuppt sich dieses Verhalten als Manipulationswerkzeug, denn Ali kann auch sehr wütend werden und verletzt Malak nicht nur seelisch.

Kees ist mit Harry zusammen. Sie könnte sich auch nie vorstellen, Harry für ihre Familie zu verlassen. Sie hält ihn vor ihren Eltern lange geheim und erst als ihre kleine Schwester heiratet, traut sie sich, ihren Eltern zu sagen, dass sie Harry liebt und dass sie ihn heiraten möchte. Ihre Eltern sind jedoch strikt dagegen und wollen zunächst nichts mehr mit Kees zu tun haben. Weil Kees es nicht verstehen kann, dass Malak Jacob verlässt, obwohl sie ihn liebt, entsteht zwischen den Freundinnen ein heftiger Streit und sie sprechen jahrelang nicht mehr wirklich miteinander.

Jenna ist ungebunden und genießt ihr Leben. Sie geht auf Partys und vergnügt sich mit verschiedenen Partnern. Ihr bester Freund Lewis ist oft an ihrer Seite und die beiden gehen häufig zusammen aus. Bis Jenna eines Tages etwas Schlimmes widerfährt – gegen ihren Willen wird sie zum Sex gezwungen. Daraufhin will sie ein ruhigeres Leben führen und Mohamed, kurz Mo, heiraten. Doch eigentlich liebt sie ihn nicht wirklich…

Das Problem mit der Familie ist, dass man sie innig lieben kann, während man gleichzeitig jede ihrer Handlungen verachtet.

(S. 250)

Tradition vs. eigene Vorstellungen

Ein wichtiges Thema im Buch sind natürlich die traditionellen Vorstellungen von Familie und Partnerschaft, mit denen alle Frauen im Buch auf die eine oder andere Weise zu kämpfen haben. Ich finde es super, dass eine Own Voice-Autorin, die sicherlich auch aus der eigenen Perspektive erzählen kann, diese Thematik aufgreift und zeigt, dass auch, wenn man in „westlichen“ Ländern lebt, dies ein brisantes Thema sein kann. Sei es, weil die Eltern wollen, dass das muslimische Kind einen Muslim heiratet oder weil eine Frau in ihren eigenen Wertevorstellungen gefangen ist und lieber der Vernunft statt dem Herzen folgt.

Dabei zeigt sich so oft die Zerrissenheit zwischen Familie und Liebe. Wer möchte nicht für sich selbst entscheiden und die eigene Wahl bei der Partnerschaft treffen? Völlig unabhängig von Religion, Hautfarbe und Tradition. Doch andererseits ist da auch die Familie, die man liebt und mir der man bricht, wenn man seine eigenen Vorstellungen durchsetzt. Diese Zerrissenheit hat für mich vor allem Kees widergespiegelt, denn bei ihr erleben wir mit, wie sich ihre Familie von ihr abwendet, nachdem sie Harry heiratet.

Bei Malak zeigt sich, dass sie sich selbst ein wenig im Weg steht mit ihren Vorstellungen von Partnerschaft, Liebe und Familie. Mit Jacob ist sie glücklich, doch sie möchte traditionell muslimisch heiraten und ihren Partner nicht vor ihrer Familie verstecken. Daher wählt sie den Weg, dass sie den angeblich so perfekten Ali als Partner nimmt, der jedoch manipulativ ist und Malak schlecht behandelt.

Jenna hingegen fühlt sich lange einsam und betäubt diese Einsamkeit erst mit Gelegenheitspartnern und schließlich mit Mohamed, den sie heiraten will, um irgendwo sicher zu sein und anzukommen. Sie muss lernen, dass sie erst einmal bestimmte Wunden schließen muss und ihr Herz öffnen muss.

Freundschaft steht über allem

Am Ende sind es aber nicht die Partner, die für die Frauen am wichtigsten sind – es ist letztendlich die Freundschaft, die allen am wichtigsten sind. Durch einen Vorfall kommt Malak wieder nach England zurück und versöhnt sich mit Jenna und Kees. Sie merken, dass sie durch ihre eigene Zerrissenheit auch von ihren Freundinnen fortgerissen wurden und dass die Frauen erst durch die Heilung, durch die sie ein Stück weit allein gegangen sind, wieder zueinander finden konnten. Besonders schön finde ich es daher, dass das Buch mit den wichtigsten Personen endet: mit Malak, Jenna und Kees.

Der Schreibstil der Autorin hat mich zwischendurch richtig in den Bann der Geschichte gezogen. Ich fand es toll, so viele Traditionen des Islam und verschiedene Sichtweisen kennenzulernen. Besonders toll war es aber, dass man beim Lesen in das Seelenleben von jede der drei Frauen schauen kann und dass jede sich auf ihre Art weiterentwickelt – um am Ende wieder zusammen zu sein und die Freundschaft hochleben zu lassen. Ein paarmal musste ich mir sehr die Tränen verdrücken, so rührend fand ich die Geschichte. Ein unerwartetes Lesehighlight für mich, das ich wärmstens empfehlen kann!

Welche Own Voice Geschichten mögt ihr besonders? Schreibt es mir gerne in die Kommentare!

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